Strafrechtliche Vermögensabschöpfung - Die wesentlichen gesetzlichen Neuerungen 

Die strafrechtliche Vermögensabschöpfung ist ein noch relativ neues Instrument im Bereich der Strafverfolgung. Der Gesetzgeber hat mit dem VermAbschRÄndG die im Strafrecht bisher geltenden Regeln über die strafrechtliche Vermögensabschöpfung grundlegend geändert.

In der am 01. Juli 2017 in Kraft getretenen Gesetzesänderung gelten nunmehr grundlegende Änderungen, die es der Polizei, der Staatsanwaltschaft und den Gerichten ermöglicht, umfassend auf das „aus einer Straftat Erlangte“ zuzugreifen.

 

Was ist von der Vermögensabschöpfung umfasst?

Grundsätzlich darf jeder wirtschaftliche Vorteil, der „durch eine Straftat erlangt“ wurde, abgeschöpft werden. Hierbei wird nach einer rein wirtschaftlich-gegenständlichen Betrachtungsweise jeder messbare Vorteil erfasst, der dem von der Vermögensabschöpfung Betroffenen zugeflossen ist.

Von der Vermögensabschöpfung im Strafrecht sind damit praktisch alle finanziellen und materiellen Vorteile, die dem Betroffenen zu Gute gekommen sind, erfasst. Der Gesetzgeber hat zusätzlich mit der Verwendung der Worte „durch eine Straftat erlangt“ klargestellt, dass zwischen der Straftat und dem Erlangten keine Unmittelbarkeitsbeziehung mehr bestehen muss, sondern, dass es ausreicht, dass das Erlangte „irgendwie“ aus einer Straftat herrührt und sich das Erlangte bei dem durch die Abschöpfung Betroffenen befindet.

Diese Vorgehensweise folgt unverändert dem „Bruttoprinzip“, welches seit nahezu 30 Jahren im Abschöpfungsrecht gilt.

 

Darf nach dem Bruttoprinzip uneingeschränkt jeder Vermögensvorteil abgeschöpft werden?

Da Fälle denkbar sind, in denen der durch die Vermögensabschöpfung Betroffene eigene Aufwendungen auf das Erlangte tätigt, stellt sich zu Recht die Frage, ob in solchen Fällen diese zu berücksichtigen sind und der Wert des abzuschöpfenden Vermögens gemindert wird. Diese Frage regelt der neu eingeführte § 73d Absatz 1 StGB.

Dieser lautet:

„(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.

(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.“

Damit ist klargestellt, dass nur freiwillige und rechtlich gebilligte Vermögensopfer abgezogen werden können, die beispielsweise dem Erhalt oder der Verbesserung des Erlangten dienen. Abzugsfähig wären beispielsweise Kosten für eine aufwändige Restauration eines durch Einbruchsdiebstahl erlangten teuren Gemäldes.

Problematisch hierbei ist die Befugnis der Stelle, die die Vermögensabschöpfung anordnet, auch den Wert der Aufwendungen schätzen zu dürfen.

 

Welcher Zeitpunkt ist für die Ermittlung des von der Vermögensabschöpfung betroffenen Vermögens entscheidend?

Das VermAbschRÄndG hat im Hinblick auf diese Frage eine wesentliche Änderung vorgenommen.

 

Entreicherungseinrede im Rahmen der Vermögensabschöpfung?

Nach alter Rechtslage waren bei Anordnung der Vermögensabschöpfung durch das Gericht nur die Tatsachen zu berücksichtigen, die ihm zum Zeitpunkt des Urteils bekannt waren. Wer also bezüglich des unrechtmäßig Erworbenen geschickt verschleiern oder darlegen konnte, dass sich dieses nicht mehr in seinen Händen befindet, war damit also in der Lage, dies vor einem Zugriff durch den Staat zu schützen. Mit dem VermAbschRÄndG wird dem Betroffenen diese Möglichkeit genommen.

Das Gericht, welches jetzt die Entscheidung über die Abschöpfung trifft, ist befugt, den Wert des Erlangten an dem ursprünglich erlangten Vorteil zu bestimmen. Es muss sich also nicht mehr mit der Frage beschäftigen, ob das Erlangte zum Zeitpunkt der Entscheidung noch oder nicht mehr dem Zugriff durch den Betroffenen unterliegt.

„Wandert“ das Erlangte in die Hände eines Dritten, so kann sich der Betroffene nur dann auf eine „Entreicherung“ berufen, wenn der Dritte als gutgläubig im Sinne der zivilrechtlichen Vorschriften anzusehen ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Drittbegünstigte an die Befugnis des Betroffenen, über den Vermögensgegenstand verfügen zu dürfen, nach allgemeinem Verständnis glauben darf.

Der Annahme eines guten Glaubens stehen oft die Person des Verfügenden und die Art des Vermögens, welches weitergegeben wird entgegen (Bargeldschenkungen in großer Höhe).

Schwerpunktmäßig wird die Frage des Entreicherungseinwandes nach der Reform des Gesetzes nunmehr außerhalb des StGB geregelt und findet sich in § 459 g Absatz 5 StPO wieder.

Dieser lautet:

„In den Fällen des Absatzes 2 unterbleibt auf Anordnung des Gerichts die Vollstreckung, soweit der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist oder die Vollstreckung sonst unverhältnismäßig wäre. Die Vollstreckung wird wieder aufgenommen, wenn nachträglich Umstände bekannt werden oder eintreten, die einer Anordnung nach Satz 1 entgegenstehen.“

 

Zeitpunkt der Vermögensabschöpfung

Nach alter Rechtslage war die Entscheidung über die Vermögensabschöpfung ohne Durchführung eines Strafverfahrens in der Regel nur dann möglich, wenn dieses gegen den Betroffenen aus tatsächlichen (Verhandlungsunfähigkeit oder Unerreichbarkeit) und nicht aus rechtlichen Gründen nicht durchgeführt werden konnte.

Das VermAbschRÄndG räumt nunmehr die Möglichkeit ein, dass ein Vermögensverfall auch dann angeordnet werden kann, wenn aus rechtlichen Gründen gegen den Betroffenen kein Strafverfahren durchgeführt werden kann.

Damit kann auch außerhalb jedes Verfahrens, also auch nach Abschluss eines bereits rechtskräftigen Verfahrens nachträglich eine Vermögensabschöpfung angeordnet werden. Die Anordnung der Abschöpfung ist damit praktisch zeitlich unbeschränkt.

 

Welche Folgen können eintreten, wenn die Herkunft des erlangten Vermögens „unklar“ ist?

 

Selbständige Vermögensabschöpfung

§ 76a Absatz 4 StGB schafft nunmehr die Möglichkeit die Abschöpfung gegenüber Personen anzuordnen, denen keine rechtswidrige Tat nachgewiesen werden kann.

Dieser lautet:

„Ein aus einer rechtswidrigen Tat herrührender Gegenstand, der in einem Verfahren wegen des Verdachts einer in Satz 3 genannten Straftat sichergestellt worden ist, soll auch dann selbständig eingezogen werden, wenn der von der Sicherstellung Betroffene nicht wegen der Straftat verfolgt oder verurteilt werden kann. Wird die Einziehung eines Gegenstandes angeordnet, so geht das Eigentum an der Sache oder das Recht mit der Rechtskraft der Entscheidung auf den Staat über; § 75 Absatz 3 gilt entsprechend. 3traftaten im Sinne des Satzes 1 sind

 

1.

aus diesem Gesetz:

   

a)

Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a und Terrorismusfinanzierung nach § 89c Absatz 1 bis 4,

   

b)

Bildung krimineller Vereinigungen nach § 129 Absatz 1 und Bildung terroristischer Vereinigungen nach § 129a Absatz 1, 2, 4, 5, jeweils auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1,

   

c)

Zuhälterei nach § 181a Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 3,

   

d)

Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften in den Fällen des § 184b Absatz 2,

   

e)

gewerbs- und bandenmäßige Begehung des Menschenhandels, der Zwangsprostitution und der Zwangsarbeit nach den §§ 232 bis 232b sowie bandenmäßige Ausbeutung der Arbeitskraft und Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung nach den §§ 233 und 233a,

   

f)

Geldwäsche und Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte nach § 261 Absatz 1, 2 und 4,

 

2.

aus der Abgabenordnung:

   

a)

Steuerhinterziehung unter den in § 370 Absatz 3 Nummer 5 genannten Voraussetzungen,

   

b)

gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373,

   

c)

Steuerhehlerei im Fall des § 374 Absatz 2,

 

3.

aus dem Asylgesetz:

   

a)

Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Absatz 3,

   

b)

gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a,

 

4.

aus dem Aufenthaltsgesetz:

   

a)

Einschleusen von Ausländern nach § 96 Absatz 2,

   

b)

Einschleusen mit Todesfolge sowie gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,

 

5.

aus dem Außenwirtschaftsgesetz:

vorsätzliche Straftaten nach den §§ 17 und 18,

 

6.

aus dem Betäubungsmittelgesetz:

   

a)

Straftaten nach einer in § 29 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen,

   

b)

Straftaten nach den §§ 29a, 30 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4 sowie den §§ 30a und 30b,

 

7.

aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen:

   

a)

Straftaten nach § 19 Absatz 1 bis 3 und § 20 Absatz 1 und 2 sowie § 20a Absatz 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21,

   

b)

Straftaten nach § 22a Absatz 1 bis 3,

 

8.

aus dem Waffengesetz:

   

a)

Straftaten nach § 51 Absatz 1 bis 3,

   

b)

Straftaten nach § 52 Absatz 1 Nummer 1 und 2 Buchstabe c und d sowie Absatz 5 und 6.“

 

 

 

 

Die Möglichkeit der selbständigen Vermögensabschöpfung kommt damit auch denn in Betracht, wenn der Betroffene in einem Strafverfahren freigesprochen wurde oder ein gegen ihn in Gang gesetztes Ermittlungsverfahren mangels Tatverdacht eingestellt wurde.

Wichtig: Daher sollte eine umfassende Strafverteidigung nicht allein die Frage der Verurteilung eines Mandanten im Auge haben, sondern sich insbesondere auch mit der hier genannten Frage befassen, deren negative Folgen sich meist schwerer auswirken als eine Verurteilung in der Sache selbst.

 

Verfahrensregeln über die selbständige Vermögensabschöpfung

Wann und unter welchen Voraussetzungen ein Richter die selbständige Vermögensabschöpfung anordnen darf, ist in den §§ 435 ff StPO geregelt.

Dabei spielt § 437 StPO eine maßgebliche Rolle.

 Dieser lautet:

„Bei der Entscheidung über die selbständige Einziehung nach § 76a Absatz 4 des Strafgesetzbuches kann das Gericht seine Überzeugung davon, dass der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, insbesondere auf ein grobes Missverhältnis zwischen dem Wert des Gegenstandes und den rechtmäßigen Einkünften des Betroffenen stützen. 2Darüber hinaus kann es bei seiner Entscheidung insbesondere auch berücksichtigen

 

1.

das Ergebnis der Ermittlungen zu der Tat, die Anlass für das Verfahren war,

 

2.

die Umstände, unter denen der Gegenstand aufgefunden und sichergestellt worden ist, sowie

 

3.

die sonstigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen.“

Die Anordnung zur Vermögensabschöpfung kann also schon dann getroffen werden, wenn der Richter nach den Regeln über den Anscheinsbeweis zu der Auffassung kommt, dass aufgrund der Person des Betroffenen selbst, seines normalen Einkommens, der Art des betroffenen Vermögensgegenstandes, etc. der Betroffene nach allgemeiner Lebenserfahrung erst gar nicht in der Lage ist, sich den von der Abschöpfung betroffenen Gegenstand wirtschaftlich leisten zu können (z.B. Eigentum an einer Luxus-Immobilie durch einen Sozial-Leistungsempfänger).

Diese Befugnis des Richters führt im Ergebnis zu einer Beweislastumkehr, d.h. der Betroffene muss darlegen und unter Beweis stellen, dass er den Gegenstand aus Mitteln erworben hat, die er legal erlangt hat. Gelingt ihm das nicht, verliert er sein Eigentum unwiederbringlich.

 

Opferentschädigung

Opfer von Straftaten haben nach Inkrafttreten des VermAbschRÄndG nach wir vor die Möglichkeit, auf das beim Täter beschlagnahmte Vermögen zuzugreifen.

Nach früherer Rechtslage war es aber so, dass eine staatliche Beschlagnahmeanordnung unterblieb, wenn das Opfer einer Straftat außerhalb eines Strafverfahrens bereits zivilrechtliche Ansprüche gegen den Täter geltend machte.

Nach der Änderung der Gesetzeslage kann eine Beschlagnahmeanordnung hingegen noch dann erlassen werden, wenn zivilrechtliche Ansprüche bereits rechtshängig sind.

Welchen Vorteil diese Rechtsänderung für das Opfer einer Straftat hat, liegt auf der Hand. Wollte das Opfer auf das beim Täter vorhandene Vermögen nur auf zivilrechtlichem Wege zugreifen, so spielt dabei der Faktor „Zeit“ eine tragende Rolle.

Erst nach einer rechtskräftigen Entscheidung durch das Zivilgericht kann auf das Vermögen, das sich beim Täter befindet zugegriffen werden. Damit besteht die Gefahr, dass das Vermögen, auf das das Opfer zugreifen möchte, sich bereits „verflüchtigt“ hat.

Diese Gefahr besteht nach Inkrafttreten des VermAbschRÄndG nicht mehr und das Opfer ist zudem in der Lage, seine Ansprüche auch innerhalb eines Strafverfahrens anzumelden und geltend zu machen.

Allerdings ist zu beachten, dass nur das „Erlangte“ einem staatlichen Zugriff unterliegt und gegebenenfalls zurückgegeben werden muss. Das führt zu der Konsequenz, dass reine Schmerzensgeldansprüche des Opfers nicht über das beschlagnahmte Vermögen abgegolten werden. Diese müssen nach wie vor auf zivilrechtlichem Wege geltend gemacht werden.

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